Liest man Fachartikel, Präsentationen und „Gap-Analysen“ zum Thema Depotbankrundschreiben, kann man den Eindruck gewinnen, die BaFin hätte das Investmentgesetz kurzerhand geändert. Selbst das eigentlich nah an Fakten berichtende Handelsblatt spricht von „massiver“ Erhöhung der Anforderungen an Banken und von „Verschärfung“ der Anlagegrenzprüfung. Die eigentliche Intention der Aufsicht, nämlich die bestehenden gesetzlichen Vorgaben zu konkretisieren, rückt in den Hintergrund.
Inwieweit nun aber tatsächlich das Ziel der Konkretisierung erreicht wurde, kann bei näherer Analyse durchaus kritisch beurteilt werden. Viele Punkte bleiben auch nach den Ausführungen der Aufsicht zu §§20ff InvG noch offen, Interpretationen sind notwendig und stehen einer soliden Planungs- und Entscheidungsbasis im Wege.
Anhand folgender Beispiele sollen diese Unklarheiten dargestellt werden. Diese Ausführungen sind vor dem Hintergrund der individuellen Erfahrungen zu sehen, die in zahlreichen Projekten mit den Themen Anlagegrenzprüfung, Fondskontrolle und -abstimmung gesammelt wurden. Sie erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit, da die gelebte Praxis hier sehr vielfältig ist. Um einem gemeinsamen Verständnis dennoch näher zu kommen, sind Sie als Leser zum Austausch von Meinungen und Erfahrungen herzlich eingeladen.
Beispiel 1: ex-ante Prüfungen
Die Prüfung von bestimmten Geschäften erfordert eine Zustimmung durch die Depotbank, bevor diese Geschäfte dann ausgeführt werden. Als Beispiele für die Notwendigkeit dieser ex-ante-Prüfung sind die Kreditaufnahme über Vertrag, die Anlage in Festgeldern und die Lieferung entliehener Wertpapiere aufgeführt. In allen drei Fällen sind zur Überprüfung der Zulässigkeit, Auslastungen der jeweils relevanten Grenzen zu berechnen: 10, 20 oder 30% Kreditaufnahme, 20%-Kreditinstitutsgrenze, 20/35%- Kombinationsgrenze bzw. 10/15% Wertpapierdarlehensgrenze. Unklar ist, ob die 100%-Bezugsgröße (NAV) prüfungsaktuell sein muss oder ob der letzte verfügbare (offizielle) NAV ausreichend ist. Der erste Fall würde einen umfassenden Bewertungslauf in der Fondsbuchhaltung für die Prüfung voraussetzen.
Beispiel 2: Prüfung von Weisungen
Die Depotbank hat die Weisungen der KAG auszuführen, solange diese nicht vertragliche oder gesetzliche Vorgaben verletzen. Das Rundschreiben führt dazu aus, dass bei Geschäften, die innerhalb kurzer Zeit abgeschlossen und abgewickelt werden, die Kontrolle nach Abwicklung und nach Berücksichtigung in der Fondsbuchhaltung zu erfolgen hat.
Da die Prüfung auf Erwerbbarkeit im Prozess und in den Systemen der Grenzprüfung integriert ist, hängt der Aufwand entscheidend davon ab, wie „nach Berücksichtigung in der Fondsbuchhaltung“ zu definieren ist. Die Erleichterung durch eine wöchentliche Grenzprüfung bei Spezialfonds würde kompensiert, wenn „nach Berücksichtigung in der Fondsbuchhaltung“ im Sinne von „nach Geschäftserfassung“ bzw. „nach Import der Geschäftsdaten“ interpretiert würde. Danach würde der getätigte Umsatz im Fonds die Grenzprüfung auslösen und nicht der wöchentliche „Grenzprüfungstag“. Bei der Alternative der wöchentlichen Prüfung könnte ein für das Sondervermögen verbotener Vermögensgegenstand zwischen den Prüfungstagen gekauft und wieder verkauft worden sein, ohne dass die Depotbank zeitnah eskalieren kann. Im Sinne der Anlegerinteressen müsste die Depotbank feststellen, ob dadurch ein Schaden entstanden ist.
Beispiel 3: Anlagegrenzprüfung nach Modell 1
Zur Überwachung der Anlagegrenzen kann die Depotbank, wie bisher auch, das System der KAG nutzen. Neu ist nun die Pflicht, „die ordnungsgemäße Funktionalität des Anlagegrenzprüfungssystems zu Beginn“ zu kontrollieren. Hier stellt sich die Frage, was unter „zu Beginn“ zu verstehen ist. Heißt das zu Beginn des Depotbankvertrages, zum Inkrafttreten des Rundschreibens oder bei Releasewechsel? Unklar bleibt auch, wie „ordnungsgemäße Funktionalität“ i.S.d. Prüfgegenstandes aufzufassen ist. Hier hilft die Beschreibung „wie zeitnah Änderungen von vertraglichen Anlagegrenzen systemseitig umgesetzt werden, wie der Ablauf bei der Einrichtung von gesetzlichen und vertraglichen Anlagegrenzen für neue Sondervermögen erfolgt oder in welcher Frequenz die für die Anlagegrenzen relevanten Stammdaten aktualisiert werden“ nicht weiter, da hiermit lediglich der Prozess der Systemadministration, nicht aber die Funktionalität des Systems kontrolliert wird. Auch wer versucht, eine Interpretation über die Aussagen zum Stichprobenumfang abzuleiten, wird enttäuscht. Während sich die geforderten Stichproben vermutlich auf die Grundgesamtheit aller Fonds beziehen, ist unklar, was unter „alle Arten von vertraglichen und gesetzlichen“ Grenzen, die bei der Stichprobe zu berücksichtigen sind, zu verstehen ist. Festzustellen ist, dass weder Stichproben aus der Grundgesamtheit aller Fonds, noch die Berücksichtigung bestimmter Arten von Regeln einen Prüfgegenstand darstellen, der valide Aussagen zur Funktionalität des Grenzprüfungssystems zulässt.
Ist SAS 70 der „Persilschein“?
Im Rundschreiben zumindest ist wenig ausgeführt, was dagegenspricht. Ein Hinweis darauf, dass es der Aufsicht um mehr als SAS 70 und Prozesskontrolle geht, liefert die Verpflichtung der KAG, alle relevanten Regel- und Datenänderungen an die Depotbank zu übermitteln. Sollte damit die Depotbank in die Lage versetzt werden, eine Art „Abnahme“ durchführen zu können, muss sie sich inhaltlich mit Regelherleitungen, Interpretationen von Limitvorgaben, rechtlicher Einordnung von Vermögensgegenständen und prüfrelevanten Daten auseinandersetzen. Das wäre die Konstellation, in der Systemnutzung und nicht Fachwissen ausgelagert wird. Apropos: Ist das Modell 1 tatsächlich als Auslagerung mit allen Konsequenzen aus KWG und InvG zu sehen? Wenn dem so ist, dann sind die Anforderungen an ein Auslagerungscontrolling wesentlich umfangreicher, als im Rundschreiben beschrieben.
Viele Fragen bleiben also auch nach dem Versuch der Konkretisierungen von §§20ff InvG unbeantwortet, Unsicherheiten bleiben und stehen einer soliden Planungs- und Entscheidungsbasis im Wege. Wir sollten daher alle die Möglichkeit des konstruktiven Austausches nutzen, um diesen „Freiraum“ mit sinnvollen und pragmatischen Lösungsansätzen füllen zu können.
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