(Autoren: RA Ingolf Schneider-Deters u. RA/StB/FAStR Dr. Oliver v. Schweinitz) Es wird ernst. Nachdem im Jahr 2011 der Reformdruck wohl noch nicht ausreichend war, hat sich nunmehr – auch im Zuge der umfassenden Anpassung des Investmentaufsichtsrechts an die AIFM-Richtlinie – der Gesetzgeber daran gemacht, nun auch die Investmentsteuerreform als „großen Wurf“ umzusetzen. Nach einem ersten „offiziellen“ Entwurf Mitte 2015 hat nun am 8 Juli 2016 der Bundesrat dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung (in der Fassung der Beschlussempfehlung und des Finanzausschusses, BT-Drucks. 18/8739) zugestimmt. Mit der Verkündung des Gesetzes ist noch dieses Jahr, mit Inkrafttreten der meisten Regelungen zum 1. Januar 2018 zu rechnen.
Was ist neu? Fast alles. Die Besteuerung von Publikumsfonds wird neu geregelt, das bisherige, komplexe Besteuerungssystem mit steuerlicher Transparenz auf Ebene (inländischer) Investmentfonds und der Besteuerung des Anlegers auf Grundlage der nach bisherigem § 5 InvStG zu ermittelnden Besteuerungsgrundlagen (hiernach waren bis zu 33 verschiedene Besteuerungsgrundlagen zu ermitteln!) entfällt. Stattdessen soll ab 1.1.2018 (unabhängig vom Wirtschaftsjahr des Fonds) eine Vorab-Belastung bestimmter inländischer Erträge (Dividenden, Mieterträge und Veräußerungsgewinne auf inländische Immobilien) auf Ebene des Investmentfonds mit Körperschaftsteuer anfallen. Zinsen, Veräußerungsgewinne aus Wertpapieren, Gewinne aus Termingeschäften sowie ausländische Dividenden und ausländische Immobilienerträge sollen auf Investmentfondsebene weiterhin grundsätzlich steuerfrei bleiben.
Auf Anlegerebene erfolgt eine Besteuerung der Erträge des Fonds, soweit sie ihm im Wege der Ausschüttung oder aufgrund der Rückgabe bzw. Veräußerung des Fondsanteils zufließen. Die steuerliche Vorbelastung bestimmter Erträge auf Fondsebene wird dabei pauschaliert berücksichtigt: Je nach Art des Fonds (Aktienfonds, Immobilienfonds, Mischfonds oder Sonstiger Fonds) erfolgt eine Teilfreistellung der Erträge bei Mischfonds in Höhe von 15%, von 30% bei Aktienfonds und von 60% bei Immobilienfonds (werden überwiegend ausländische Immobilienerträge erzielt, kommt eine Freistellung von bis zu 80% in Betracht); lediglich bei „Sonstigen Fonds“ entfällt eine Teilfreistellung der Erträge. Schüttet der Fonds seine Erträge nicht aus (Thesaurierung), erfolgt eine jährliche Besteuerung des Anlegers im Wege einer sog. „Vorabpauschale“, die sich an der Entwicklung des NAV richtet (genauer: 70% des Basiszins iSd. § 203 BewG maximal aber der Unterschiedsbetrag zwischen dem ersten letzten Rücknahmepreis desselben Kalenderjahres abzüglich Ausschüttungen).
Dies hat auf Anlegerebene den Vorteil, dass zur Besteuerung des Anlegers lediglich die Art des Fonds, (siehe oben), der Wert des Fondsanteils zu Beginn und zum Ende des jeweiligen Kalenderjahres und die Höhe eventueller Ausschüttungen anzugeben sind; die aufwendige Ermittlung der Erträge aus dem Investmentfonds nach § 5 InvStG entfällt. Soweit auf Ebene des Investmentfonds nunmehr Steuererklärungen (Körperschaftsteuer und ggfs. Gewerbesteuer) zu fertigen sind, sollten diese grundsätzlich einfacher zu erstellen sein. Dieser Kostenersparnis stehen sehr erhebliche Umstellungskosten gegenüber (primär für die Verwahrstellen, Fund-Service-KVGs etc.). Für Spezialfonds soll es hingegen erstmal bei dem bisherigen Besteuerungssystem bleiben.
Ist das der große Wurf? Ob sich das für den Anleger rechnet oder eine Mehrbelastung mit sich bringt, lässt sich vermutlich allenfalls im Einzelfall nachprüfen und hängt auch von der Anlagepolitik der KVG ab. Für die Verwahrstellen/Depotbanken und die depotführenden Stellen der Anleger ist die Umstellung mit einer erheblichen Belastung verbunden und das alles in einem steuerpolitischen Umfeld, in dem selbst die Abgeltungssteuer eines Tages fallen könnte.
Neben der Neuregelung der Investmentfondsbesteuerung sollen im Zuge dessen auch weitere Gesetzesänderungen erfolgen, um bestimmten Steuergestaltungen entgegenzuwirken. Hervorzuheben ist insoweit der neu einzuführende § 36a EStG, der besondere Voraussetzungen für die Anrechnung der als Quellensteuer erhobenen Kapitalertragsteuer auf Dividenden normiert und durch den die Umgehung der Besteuerung von Dividenden durch sog. „Cum/Cum-Geschäfte“ verhindert werden soll. Bei diesen Geschäften verkauft ein Steuerausländer bisher von ihm gehaltene Aktien, auf die er eine Dividende erwartet, an eine inländische Bank, die ihm – wie vorher vereinbart – die Aktien zu dem zu erwartenden Wert der Aktien nach Dividendenabschlag wieder zurück veräußert; die Dividenden selbst werden von der inländischen Bank vereinnahmt. Durch dieses Geschäft erzielt der Steuerausländer einen Veräußerungsgewinn in ungefährer Höhe der zu erwartenden Dividendenzahlungen. Dieser Veräußerungsgewinn kann aber von ihm – anders als die Dividenden – ohne deutsche Steuern vereinnahmt werden. Die inländische Bank hingegen erzielt die Dividendeneinnahmen (in einer dem Unterschiedsbetrag zwischen Verkaufs- und Rückkaufspreis vergleichbaren Höhe). Die auf diese Dividenden einbehaltene Kapitalertragsteuer (KESt) kann sie sich aber – im Gegensatz zum Steuerausländer – vollumfänglich erstatten lassen. Im Netto erzielt die inländische Bank nur eine kleine Marge, die ggf. sogar mit bestehenden Verlustvorträgen verrechenbar ist.
Um solche Geschäfte zu vermeiden, knüpft nunmehr der neu einzuführende § 36a EStG die Anrechenbarkeit der KESt an besondere Voraussetzungen (die Regelung ist nur anzuwenden, wenn die Kapitalerträge mehr als 20 TEUR betragen; auch für Anteile, die länger als ein Kalenderjahr gehalten wurden, gilt eine Ausnahme): Erforderlich ist, dass der Steuerpflichtige, der eine Anrechnung der auf die Dividendenzahlungen geleisteten KESt anstrebt, (1) die zugrunde liegenden Aktien/Anteile während einer Mindesthaltedauer von insgesamt mindestens 91 Tagen (wobei die Aktien mindestens 45 Tage vor und 45 Tage nach dem Dividendenstichtag gehalten werden müssen) als wirtschaftlicher Eigentümer hält, (2) er während dieser Zeit ununterbrochen das Wertänderungsrisiko im Umfang von mindestens 70% trägt und er (3) nicht verpflichtet ist, die aus den Papieren fließenden Erträge einer anderen Partei zu vergüten. Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, so trifft die fehlende Anrechenbarkeit nicht den Steuerausländer: An seinem steuerfrei vereinnahmten Veräußerungsgewinn ändert sich nichts. „Bestraft“ wird der inländische Steuerpflichtige (hier die Bank), deren Anrechnung der KESt ausgeschlossen wird.
Diese Beschränkung der Anrechenbarkeit soll mit Rückwirkung (!) auf den 1.1.2016 eingeführt werden.
Ob diese beschriebenen Geschäfte überhaupt als „unlauter“ angesehen und eingedämmt werden müssen, mag dahingestellt bleiben; die gegenüber dem Inländer nur eingeschränkte bestehende Anrechenbarkeit/Erstattbarkeit ist europarechtlich ohnehin mehr als bedenklich (die neu geplante Regelung belastet deshalb – vor dem Hintergrund der Europäischen Grundfreiheiten „geschickt“ – nur den Inländer). Schwerer wiegt, dass diese Regelung weit über ihr Ziel hinausschießt und auch eine Vielzahl von Bankgeschäften erfasst, die nicht nur steuerlich unbedenklich, sondern vielfach auch notwendig sind, um Bankgeschäft sinnvoll zu betreiben. Auch wirtschaftlich notwendige Sicherungsgeschäfte zur Absicherung eigener Aktienpositionen, zur Absicherung von Termingeschäften, von Derivaten, von nahezu allen denkbaren synthetischen Finanzprodukten werden erheblich behindert. Auch der für die Liquiditätsbeschaffung relevante Repo-Markt wird vermutlich beeinträchtigt.
RA Ingolf Schneider-Deters u. RA/StB/FAStR Dr. Oliver v. Schweinitz arbeiten bei GGV im Bereich Financial Services; Informationen und Kontakt: www.gg-v.com
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